Das europäische Einheitspatent

7. Juli 2022Allgemein

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A. Das europäische Patentsystem in seiner bisherigen Praxis

Mit dem europäischen Patent können Anmelder für 38 Vertragsstaaten des EPÜ (Europäisches Patentübereinkommen) Patentschutz beantragen. Das europäische Patent gilt gemäß den bisherigen Regeln nicht einheitlich für die gesamten Vertragsstaaten des EPÜ, sondern zerfällt nach der Erteilung in einzelne nationale Schutzrechte. Innerhalb von 3 Monaten nach der Veröffentlichung des Hinweises der Erteilung kann der Patentinhaber im Rahmen der sog. Validierung wählen, in welchen Staaten des EPÜ das europäische Patent gelten soll.

In Abhängigkeit der jeweiligen Regeln in den einzelnen Vertragsstaaten muss der Patentinhaber bei den nationalen Patentämtern teils eine Übersetzung der Patentschrift in einer Amtssprache des betreffenden Staats einreichen sowie innerhalb einer bestimmten Frist amtliche Gebühren entrichten. Diese Kosten können durchaus erheblich sein, hängen aber in erster Linie von der Auswahl sowie der Anzahl der Länder ab, in denen der Patentinhaber das europäische Patent validieren, also weiterführen will. Darüber hinaus sind während der weiteren Laufzeit der nationalen Patente in jedem einzelnen Vertragsstaat Jahresgebühren zu entrichten.

B. Das europäische Einheitspatent (Unitäres Patent; UP)

Das europäische Einheitspatent mit einheitlicher Wirkung (kurz UP) soll diesen Prozess vereinfachen und kostengünstiger gestalten. Das UP ermöglicht es, nach Erteilung des europäischen Patents mit Stellung eines einzigen Antrags beim EPA Patentschutz in bis zu 25 EU-Mitgliedstaaten (derzeit 17: Österreich, Belgien, Bulgarien, Dänemark, Estland, Finnland, Frankreich, Deutschland, Italien, Lettland, Litauen, Luxemburg, Malta, die Niederlande, Portugal, Slowenien, Schweden.) gleichzeitig zu erhalten, ohne in diesen Ländern eine Validierung durchführen zu müssen. Für Patentinhaber kann dieses Verfahren somit unter Umständen deutlich einfacher und kosteneffizienter erfolgen.

I. Der Weg zum Einheitspatent

Das Einheitspatent basiert auf dem vom EPA (Europäischen Patentamt) nach den Vorschriften des EPÜ erteilten europäischen Patent. Insofern ändert sich in der Phase vor der Erteilung des europäischen Patents (Recherche- und Prüfungsverfahren) nichts an der gängigen Praxis und es gelten nach wie vor dieselben Maßstäbe an Recherche und Prüfung.

Demnach setzt die Erteilung eines europäischen Patents sowie der Antrag eines UP nach dem EPÜ voraus, dass die Erfindung neu ist, auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht und gewerblich anwendbar ist (Art. 52(1) EPÜ). Darüber hinaus müssen die Form betreffende Kriterien erfüllt werden sowie die jeweiligen Gebühren (Anmelde-, Recherche-, Prüfungs-, Benennungsgebühren sowie die Erteilungsgebühren) zu den jeweiligen Fristen gemäß der geltenden Gebührenordnung entrichtet worden sein.

Nach dem Recherche-, Prüfungs- und Erteilungsprozess beim EPA wird das europäische Patent veröffentlicht und der Patentinhaber erhält innerhalb einer Frist von 1 Monat die Möglichkeit, das UP mittels entsprechendem Formular zu beantragen. Die Stellung dieses Antrages auf einheitliche Wirkung wird auf Seiten des Patentamts kostenfrei sein, wenngleich für diesen Prozess anwaltliche Gebühren anfallen können. Dadurch können sich aber jedenfalls der derzeitige administrative Aufwand und die entsprechenden Validierungskosten beträchtlich verringern.

In den nicht teilnehmenden Staaten des EPÜ gelten dagegen nach wie vor die Regeln gemäß geltender Praxis, d. h. wenn der Patentinhaber das Patent alternativ oder zusätzlich in Staaten außerhalb des Abkommens zum Einheitspatent fortführen möchte, muss er für diese Staaten weiterhin den Weg über die Validierung nutzen.

II. Vorteile des Einheitspatents

Aus dem Einheitspatent ergeben sich für die Zukunft zahlreiche Vorteile:

  • Mit dem Einheitspatent erübrigt sich für die teilnehmenden Staaten des UP die Notwendigkeit einer komplexen und ggf. kostspieligen Validierung. Es entfallen somit zum einen die Übersetzungskosten sowie zum anderen die Kosten für eine teils vorgeschriebene Vertretung durch einen nationalen Vertreter und die amtlichen Gebühren beim nationalen Patentamt.
  • Die Jahresgebühren des Einheitspatents sind einheitlich an das EPA zu entrichten, wobei die jährlichen Einsparungen umso größer sind, je höher die Zahl der Länder ist, in denen das europäische Patent ansonsten validiert werden würde. Es ist davon auszugehen, dass das Einheitspatent bei einer Auswahl von mehr als 6 Ländern in Bezug auf die laufenden Jahresgebühren finanzielle Vorteile gegenüber Einzelvalidierungen bietet.
  • Einheitspatente werden auch im Hinblick auf ihre mögliche Durchsetzung einen einheitlichen Schutz verleihen, bei dem bei Streitigkeiten ein dezentrales Gericht erster Instanz (bestehend aus einer Zentralkammer in Paris sowie lokalen und regionalen Kammern in den Vertragsstaaten) zuständig ist, dessen Entscheidungen gleichzeitig Wirkung für das gesamte Territorium aller teilnehmenden Staaten entfalten.
  • Bei Patentverletzungen müssen daher künftig nicht mehr einzelne oder gar mehrere nationale Gerichtsverfahren beschritten werden, die möglicherweise zu unterschiedlichen Entscheidungen gelangen.

III. Nachteile des Einheitspatents

Trotz der diversen Vorteile aus dem Einheitspatent sind auch zahlreiche Nachteile aufzuführen, die vornehmlich Einzelerfinder und KMUs betreffen:

  • Das UP wird mit seinen recht komplizierten Wahlmöglichkeiten und Optionen das Patentsystem nach der Erteilung des Patents im Zweifel doch komplizierter gestalten und spezialisierte Anwälte erfordern, was höhere Kosten verursachen kann.
  • Mit der Wahl des UP ist der Patentinhaber an das entsprechende Verfahren und mithin an die Zahlung der einheitlichen Jahresgebühren an das EPA für die Aufrechterhaltung des Schutzrechts für die gesamte Laufzeit des Patents (durchschnittlich mind. 10 Jahre) gebunden.
  • Der Patentinhaber hat somit auch nicht mehr – wie bisher – die Möglichkeit, in den Folgejahren den Schutz auf ausgewählte Länder oder gar nur ein Land zu beschränken, wenn sich herausstellt, dass die Aufrechterhaltung des (gesamten) UP unwirtschaftlich ist. Sofern daher bspw. nur noch ein Schutz in Deutschland für sinnvoll erachtet wird, müssen dennoch weiterhin die deutlich höheren Aufrechterhaltungsgebühren für das UP entrichtet werden.
  • Da das UP auf EU-Gesetzgebung basiert, steht dieses nur den teilnehmenden EU-Staaten zur Verfügung und kann damit nur in denjenigen Staaten, die das entsprechende Abkommen ratifiziert haben, genutzt werden; in sämtlichen anderen Vertragsstaaten, die das EPÜ betreffen, wird die herkömmliche nationale Validierung auch im neuen System erforderlich sein; der Patentinhaber wird daher in der Regel zweigleisig fahren müssen, wenn er neben den teilnehmenden Staaten Patentschutz in weiteren Staaten (aktuell immerhin insg. 21) erhalten möchte, was den gesamten Vorgang weiter verkompliziert und seitens der beratenden Anwälte zusätzliche Kosten verursachen kann.
  • Ein weiterer sehr wesentlicher Nachteil besteht darin, dass das UP in einem einzigen Gerichtsverfahren zentral mit Wirkung für sämtliche von dem Einheitspatent erfassten EU-Staaten beschränkt oder eben auch vernichtet werden kann, auch wenn lediglich nur in einem Teil dieser EU-Staaten über einen vermeintlichen Verletzungstatbestand entschieden werden soll. Dem Patentinhaber ist somit die Möglichkeit genommen, in Bezug auf Verletzungshandlungen in einem anderen teilnehmenden Staat eine abweichende Beschränkungsstrategie zu nutzen.
  • Überdies wird es nicht mehr möglich sein, bei einer europaweiten vermeintlichen Patentverletzung einen bspw. auf ein deutsches Gericht beschränkten kostengünstigen Pilotprozess zu führen, auf dessen Basis für ganz Europa ein Vergleich mit der Gegenseite vereinbart wird.
  • Stattdessen ist zu erwarten, dass sich aufgrund der streitwertbasierten Berechnung im Gerichtsverfahren auf EU-Ebene womöglich deutlich höhere Gerichtskosten bei der Durchsetzung eines UP ergeben.
  • Ferner hat das Inkrafttreten des EPÜ ganz allgemein auch negative Auswirkungen für Patentinhaber, die sich aufgrund der Nachteile für eine Einzelvalidierung entscheiden. Jedes validierte Patent fällt nämlich zukünftig auch unter die Rechtsprechung des einheitlichen Patentgerichts, sofern der Patentinhaber innerhalb der Übergangsphase keine sog. Opt-out-Erklärung abgibt.

IV. Starttermin des Einheitspatents

Der Start des neuen Systems kann nach derzeitigem Stand für die zweite Hälfte 2022 bis zur ersten Hälfte 2023 erwartet werden.

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Wir beraten vorwiegend Existenzgründer, Arbeitnehmer und Erfinder sowie kleine und mittelständische Unternehmen im gewerblichen Rechtsschutz, insbesondere im Patent-, Marken- und Designrecht sowie im Arbeitnehmererfindungsrecht.

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